HINDU TEMPEL PASHUPATINATH
Die Luft um Pashupatinath ist dicht von Weihrauch, Opium und dem leisen Murmeln von Gebeten, die wie unsichtbare Fäden durch die Pagoden und Schreine ziehen. Am Ufer des heiligen Bagmati-Flusses glitzern die Flammen der Scheiterhaufen im Sonnenlicht, während Priester in saffranfarbenen Gewändern rituelle Gesänge anstimmen, deren Vibrationen tief in die Seelen der Anwesenden dringen.
Kinder spielen am Rand des Wassers, unfähig, die spirituelle Schwere des Ortes zu begreifen, während alte Pilger, gebeugt von Jahren und frommer Hingabe, mit festem Blick in die Flammen starren, als wollten sie das Geheimnis von Leben und Tod aus den Flammen lesen. Die Hitze des Feuers vermischt sich mit der Schwüle des nepalesischen Sommers, und doch scheint die Zeit hier langsamer zu fließen, getragen von einem Rhythmus, der älter ist als Worte oder Aufzeichnungen.
Jeder Tempel, jeder Schrein, jede Skulptur ist ein stiller Zeuge des ewigen Zyklus von Geburt, Tod und Wiedergeburt. Shiva, der Herr der Zerstörung, thront über allem – nicht nur als Gott der Zerstörung, sondern auch als Symbol der Transformation, der Vergänglichkeit und der unaufhörlichen Erneuerung. Pilger nähern sich ihm mit ehrfürchtiger Demut, legen Opfergaben nieder und flüstern ihre Gebete in der Hoffnung, dass der Gott sie in seinen endlosen Kreislauf von Sein und Vergehen einbindet.
Auf den steinernen Stufen des Flussufers pulsiert das Leben in all seiner Rohheit und Heiligkeit zugleich. Menschen tauchen ihre Hände und Gesichter ins kühle Wasser, schrubben ihre Körper und die Wäsche, ziehen Eimer nach Eimer empor, während das stetige Plätschern des Bagmati wie ein uraltes, unaufhörliches Lied klingt. Heilige Kühe wandern gemächlich zwischen den Menschen hindurch, unbeirrt von hastigen Schritten und murmeln fast, als gehörten sie selbst zu diesem lebendigen Sakrament.
Und doch, so nah das Alltägliche, so unmittelbar das Leben, brennen in unmittelbarer Nähe die Scheiterhaufen der Toten, deren Flammen ein leises, aber unüberhörbares Versprechen von Vergänglichkeit und Transformation flüstern. Rauchschwaden winden sich in den Himmel, mischen sich mit dem Duft von Weihrauch, Wasser und Erde, und verleihen dem Ufer einen Atem, der zugleich irdisch und transzendent ist.
Ich stehe als stiller Beobachter auf den Terrassen auf der anderen Seite des Bagmati, im Osten, getrennt vom heiligen Treiben. Nur aus der Ferne darf ich zusehen, nur als Augenzeuge, nicht als Teilnehmer. Jede Bewegung, jede Handlung, jede zeremonielle Geste ist mir sichtbar, aber ungreifbar – wie ein Bild in einem heiligen Buch, das man ehrfürchtig betrachtet, aber nicht berühren darf. Und so fließt das Leben, der Tod und die Hingabe vor meinen Augen, während ich auf der anderen Seite des Flusses stehe, gebannt von der Intensität dieses heiligen Mikrokosmos, den ich nur aus der Distanz erfassen darf.
Selbst für den flüchtigen Besucher wirkt Pashupatinath wie eine Stadt zwischen den Welten: lebendig und doch von einer anderen, fast zeitlosen Dimension durchdrungen. Jede Ecke, jeder Stein scheint von Geschichten zu flüstern, von den unzähligen Seelen, die hier gekommen sind, um zu trauern, zu beten, zu danken oder sich auf die letzte Reise vorzubereiten. Und in diesem vielstimmigen Chor aus Leben, Tod und Hingabe hallt eine seltsame, unerschütterliche Ruhe – die Ruhe des Universums selbst.